Es wird warm am Rhein

Hitze, Sturm und Schnee – alles in einem Monat. Das sorgt für kahle Wälder und verwirrte Vögel in Bonn. Die Folgen des Klimawandels sind in der Stadt sichtbar.

von Liyang Zhao

Es ist ein sonniger Nachmittag im Bonner Hofgarten. Der Duft von Erdbeereis und Sonnencreme liegt in der Luft. Bunte Picknickdecken liegen in regelmäßigen Abständen auf dem grünen Gras der Hofgartenwiese. Zwei Jungs kicken einen Ball hin und her. Eine Szene wie an einem üblichen Sommertag in Bonn. Aber es ist erst Ende Februar. 18 Grad und Sonnenschein zeigt die Temperaturanzeige an.

Mal ist es im Winter sommerlich warm, dann wechseln die Temperaturen plötzlich wieder – dem Sommertag im Februar folgten Sturm und Schnee. Solche Wetterschwankungen sind Ausdruck der Erderwärmung. Welche Folgen hat das für Bonns Bürger, Pflanzen und Tiere?

„Das wärmste Jahr aller Zeiten in Bonn“

Der Bonner Klimatologe Karsten Brandt erforscht seit Jahren die Auswirkungen des Klimawandels und dokumentiert die Temperaturen der Region auf seiner Seite Rheinlandwetter. „Letztes Jahr war das wärmste Jahr aller Zeiten in Bonn“, sagt er.  In den vergangenen hundert Jahren sei die Durchschnittstemperatur in Bonn um mehr als ein Grad gestiegen. Heute liegt sie bei zwölf Grad. Mit zunehmenden Temperaturen steigt auch die Zahl schwüler und heißer Tage und durch die längeren Dürrephasen auch die Bandgefahr. Zudem kommt es laut dem Wissenschaftler häufiger zu Starkregen.

Grünflächen können die Temperaturen in Städten senken. Trotzdem gehen laut Brand in NRW 100.000 Hektar Boden pro Tag durch Bebauung verloren. Eine Millionen Bäume mehr bräuchte die Stadt, sagt Brandt, um der Hitze entgegenzuwirken. Maßnahmen wie Begrünung, Solarzellen und hellere Dächer müssten jetzt getroffen werden, um eine Wirkung zu erzielen, und nicht erst in zwanzig Jahren.

Doch nur einige Kilometer weiter hat die Region kürzlich 140.000 Bäume verloren. In Kottenforst steht eine große Kahlfläche nahe dem Aussichtspunkt „Der eiserne Mann“. Sie ist voll mit frisch gesägten Baumstümpfen. Zuvor standen hier Fichten. Sie mussten laut der Stadt gefällt werden – durch den Orkan Friederike und den trockenen Hitzesommer waren sie geschwächt und schließlich von Borkenkäfern befallen worden, schreibt der Bonner General Anzeiger.

Der Fichte wurden Hitze und Sturm zum Verhängnis

Biologe Maximilian Weigend sitzt in seinem Büro im Nees Institut für Biodiversität der Pflanzen. Dort erforscht er die Evolution von Pflanzen und beobachtet, dass sie sich nur schwer an die derzeitigen Klimaveränderungen anpassen können. Weigend sagt, dass es für die Fichte im Kottenforst ohnehin zu warm und zu trocken sei, da sie hier nicht heimisch ist. Deshalb wurde gerade ihr der Hitzesommer 2018 zum Verhängnis.

Die hohen Temperaturen seien aber nicht das Hauptproblem für die meisten Pflanzen. Vielmehr sei es die Veränderung des Gesamtklimas: Niederschläge verschieben sich, der Frühsommer ist trockener und es wird Jahr für Jahr früher warm. Die Anpassung an den Klimawandel sei für die meisten Pflanzenarten schwierig, sagt Weigend. Hoffnung gebe es jedoch für einjährige Pflanzen. „Sie haben kürzere Entwicklungszyklen. So verläuft die Evolution über Generationen schneller“, sagt er. Das sei bereits beobachtet worden. Für eine erfolgreiche Anpassung müssten sich die Klimaveränderungen allerdings anhaltend in die gleiche Richtung verschieben. Ob das in den nächsten Jahrzehnten der Fall sein wird, steht in Frage.

Manche Vogelarten ziehen gar nicht mehr weg

„Da, seht ihr die dunkle Linie über der Brücke?“ Eine Gruppe von Studierenden schaut  durch ihre Ferngläser in den Himmel. „Das sind Kraniche. Sie ziehen jetzt zurück in den Norden, weil es wärmer wird“, erklärt Jonathan Hense. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologiedidaktik an der Universität Bonn. Hense hält eine kleine Tafel in der Hand. Auf ihr sind Bilder von verschiedenen Vogelarten abgebildet. Gerade leitet er eine Exkursion des Programms „Biodiversität live“. „Viele Zugvögel kommen nun früher zurück in ihr Brutgebiet als noch vor wenigen Jahrzehnten“, sagt Hense. Der Grund sei das frühere Einsetzen des Frühjahrs durch den Klimawandel. Das betreffe vor allem Mittelstreckenzieher wie den Zilpzalp, der häufig in Bonn vorkommt. Durchschnittlich kehrt er nun zehn bis vierzehn Tage früher in sein Brutgebiet zurück.

Mit seiner Reaktion auf den Klimawandel ist der Zilpzalp nicht allein. Es gibt Arten, bei denen Teilpopulationen gar nicht mehr in andere Gebiete ziehen. Der Vorteil: Sie können schon ihre Reviere besetzen bevor die anderen zurückkehren. Zudem haben einige südeuropäische Vögel ihr Verbreitungsareal ausgebreitet, da es nun auch in Deutschland warm genug für sie ist.

Nachteile haben hingegen vor allem Langstreckenzieher wie der Pirol, der in der Siegaue brütet, erklärt Hense. „Bei diesen Vogelarten, die bis nach Subsahara-Afrika ziehen, ist der Zugweg stärker genetisch fixiert. Das macht sie weniger anpassungsfähig für den Klimawandel.“ Das Hauptproblem für sie sei die Verschiebung der Jahreszeiten und die damit verbundenen veränderten Entwicklungszeiten bestimmter Insektenarten. Diese dienen als Nahrungsquelle für Jungtiere, sind nun aber nicht mehr zur richtigen Zeit für die Vögel verfügbar.

Ein Projekt für mehr Grünflächen in Bonn

An den Wänden des langen Flurs hängen Bilder. Sie zeigen vollbewachsene Dächer und wilde Gärten. Neben ihnen hängen kleine Texttafeln. All das sind Ideen, um Städte grüner zu gestalten und die Klimaerwärmung zu reduzieren. Das fördert der Wissenschaftsladen Bonn e.V. (WILA Bonn), unter anderem im Projekt „Stadt und Land im Fluss“. Feste Partner sind die Geographischen Institute an den Universitäten in Bonn und Bochum sowie die Städte Bonn und Gelsenkirchen. Das Projekt wird vom Umweltbundesministerium gefördert.

Francis Hugenroth ist zuständig für den Projektbereich Bürgergesellschaft und Nachhaltigkeit des WILA Bonn: „Wir sammeln in diesem Projekt Ideen, wie jeder und jede von uns mit den spürbaren Auswirkungen des Klimawandels umgehen kann.“. Wissenschaftler, Kommunalverwaltung sowie Bürger arbeiten das ganze Projekt über eng zusammen, um Wissen zu sammeln und neue Ideen zu entwickeln. So wurde zum Beispiel festgestellt, dass dicht bebaute Stadtteile heißer sind als andere. Um dem entgegenzuwirken, bauen sie in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Bonn „grüne Inseln“. Das sind Begegnungsorte mit Sitzbänken und Hochbeeten, welche ein Mikroklima kreieren sollen. Stadtbegrünung sorgt für Abkühlung, da Pflanzen Wasser verdunsten, welches die Luft kühlt und zusätzlich Sauerstoff produzieren, erklärt Hugenroth.

Auf der Hofgartenwiese riecht es nach frisch gemähtem Gras. Bonn bräuchte mehr solcher Grünflächen, fordern der WILA Bonn und der Klimatologe Brandt. Dann können sich Pflanze, Tier und Mensch hier auch in 50 Jahren noch wohlfühlen.

 

Foto: Echo Grid (Unsplash) Lizenz: CC BY 2.0 DE


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