Rockender Rektor und Europafan

Freizeitmusiker und Karnevalist, Ehemann und Workaholic, Lehrer und Manager: Michael Göbbels, seit einem Jahr Schuldirektor am Couven Gymnasium. Schule ist ihm wichtig – aber sie ist nicht alles für ihn.

von Sarah Abou-Chleih

Michael Göbbels sitzt in seinem Büro im Couven Gymnasium in Aaachen. Es sieht aus, als wäre er gerade erst eingezogen: weiße Wände, weiße Tische, ein Flipchart der letzten Dienstbesprechung. „Ich wollte es längst etwas persönlicher machen“, sagt er. „Bin noch nicht dazu gekommen.“

Göbbels, muss man wissen, ist seit einem Jahr Leiter des Couven Gymnasiums. Dass er noch nicht dazu gekommen ist, sein Büro einzurichten, wundert kaum: Der 49-Jährige ist ein ungewöhnlicher Schulleiter. Einer, der besonders viel will, aber auch besonders viel gibt, einer, der unglaublich viele Facetten hat: Musiker, Karnevalist, Verwalter, Lehrer. Michael Göbbels ist ein Direktor, der viel will und viel gibt. In Aachen ist das Couven Gymnasium eine Vorreiterschule.

Mit stolzem Blick

Voller Stolz zählt Michael Göbbels die Errungenschaften auf – und die Liste ist lang: Das Gymnasium ist Partnerschule des Leistungssports, MINT-Schule, seit 20 Jahren bilingual, inklusives Schulsystem, zwei internationale Förderklassen. Zudem Europaschule mit Projekten auf dem ganzen Kontinent. Und Schule mit Courage und ohne Rassismus, mit regelmäßigen Projekten zu Demokratie und gegen Diskriminierung. Der Schulleiter möchte eine Schule machen, die an die Gegenwart angedockt ist, die den gesellschaftlichen Verhältnissen entspricht.

Das was Europa ihm gibt möchte er weitergeben. Als in den vergangenen zwei Jahren eine Menge Flüchtlinge angekommen sind, waren darunter viele Minderjährige, die Schulplätze brauchen. Das Couven hat zwei internationale Förderklassen eingerichtet. Hier kriegen Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als Fremdsprache lernen, gesonderten Unterricht. Zwei Jahre lang, dann sollen sie in den normalen Klassenverband integriert werden und mit allen anderen die Schullaufbahn weiter verfolgen. Oft klappt das und bringt tolle Erfolgsgeschichten hervor.

Der Direktor gesteht aber auch, dass nicht jeder Fall erfolgreich abgeschlossen wird. „Das heißt, diese Schüler konnten wir nicht entsprechend fördern, sodass sie an andere Schulen gegangen sind.“ Trotzdem hält er die Integration für gelungen. „Wir versuchen tagtäglich das beste und das optimale für die Schüler*innen raus zu holen und da glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind.“

Keine halben Sachen

Michael Göbbels nimmt seinen Job ernst, ist durch und durch professionell. Groß gebaut, die grauen Haare kurz geschnitten und ordentlich gekämmt, Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte, der oberste Knopf ist geöffnet.

Die Hände bleiben gefaltet, was er zu sagen hat, kann er auch ohne große Gesten unterstreichen. Der Direktor wird oft mit einem Manager verglichen. Er passt auf, dass alle Zahnräder ineinander greifen. Bei schweren Entscheidungen greift er auf die in der Wirtschaft gängige Methode des Coachings zurück.

Er bespricht Probleme, die auftauchen, regelmäßig mit seinem Coach, einem pensionierten Schuldirektor.

Dabei geht es weniger darum, Entscheidungen abgenommen zu bekommen, als viel mehr um eine gemeinsame Reflektion. „Das ist für mich wohltuend. Es ist oft so, dass man die Ansätze schon selbst hat und dann nur eine Bestätigung braucht. Es kann sehr hilfreich sein, mit einem erfahrenen Pendant Dinge noch einmal durchzusprechen.“

Er nimmt seine Rolle ernst, möchte als oberster Dirigent allen gerecht werden:

Der 49-Jährige ist bisher keiner Partei beigetreten, hat das auch nicht vor. „Ich habe es geschafft, den Posten anzutreten ohne Parteibuch in der Tasche und auch ohne irgendeiner Gewerkschaft anzugehören.“

Auf alle Baustellen ein Auge – das bringt definitiv viel Arbeit mit sich. Michael Göbbels verbringt oft bis zu 60 Stunden pro Woche in seinem Büro, auf Terminen und Konferenzen. Ab und zu unterrichtet er auch, möchte bei den kommenden Projektwochen am liebsten selbst eine Gruppe Schüler leiten.

Der Direktor möchte das Kollegium mit einbeziehen

Michael Göbbels ist ein demokratischer Chef, einer, der seine Mitarbeiter einbeziehen will. Beobachten lässt sich das bei einer Dienstbesprechung. Etwa 60 Mitarbeiter sitzen da in einem Raum, und Göbbels lässt sie alle zu Wort kommen.

Bei einer 45 minütigen Dienstbesprechung mit versammelter Mannschaft spricht er Probleme an und versucht, Methoden zu effizienterem Arbeiten zu erklären und zu rechtfertigen. Er lässt jeden zu Wort kommen, wenn auch nur kurz, angesichts des straffen Zeitplans. Angesetzt war die Konferenz für 30 Minuten. Die Bemühungen, jedem Gehör zu schenken, sind offensichtlich. „Das ist auch wichtig, denke ich. Nur so kann man die Mitarbeiter ein Stück weit motivieren.“

„Er legt wirklich großen Wert auf ein soziales Miteinander der Kollegen.“, bestätigt die stellvertretende Direktorin Alexandra Tiezarzik. Er fühlt sich wohl an seinem neuen Arbeitsplatz.

Da sitzt jemand, der seinen Beruf als Berufung sieht. Mit seiner Familie – zwei Töchtern und einer Ehefrau – kann er das vereinbaren. „Meine Töchter sind glücklicherweise beide im Studium, sodass ich keine Probleme mit der Betreuung habe, wo ich sagen müsste, da mache ich mir Vorwürfe.“ Die Frau, Architektin, liebt ihren Beruf ebenso. Die Zeit zu zweit versuchen sie sinnvoll zu nutzen.

Die Abendgestaltung beinhaltet gemeinsames Joggen, Städtereisen, Konzertbesuche – „zuletzt das einer David Bowie Revival Band“, erinnert er sich. Michael Göbbels ist ein vielschichtiger Mann, der viele Genres bedienen kann. Klassische Musik mag er ebenso.

Ausgewogene Verhältnisse

Michael Göbbels ist leistungsorientiert – aber Schule ist nicht alles in seinem Leben.

Nebenbei ist der Schulleiter Vorsitzender und Sitzungspräsigent im Karnevalsverein.

Wir machen eine Sitzung im Jahr in unserer Halle. Da sind knapp 200 Leute und wenn die da rein gehen, dann ist das Ding voll. Aber die Stimmung ist gut, das macht Spaß und ja, das ist so ein bisschen Ausgleich.“

Den karnevalistischen Geist bringt er mit an seinen neuen Arbeitsplatz.

Trotz Unterrichtsausfall am Fettdonnerstag (Weiberfastnacht) sollen die Tore der Geländes nicht geschlossen bleiben, meint er und animiert das Kollegium zum kostümierten Erscheinen. Sekt gibt es auf seine Kosten.

Bereichert wird sein Alltag durch die Liebe zur Musik. Der Freizeitsänger ist Mitglied einer Coverband. „Rockdorf“. „Das ist keine professionelle, oder halbprofessionelle, sondern wirklich eine Amateurband.“ Zusammen performen sie „das ganz Verschiedenste“. Ein Mal im Jahr machen sie ein Band-Wochenende – „Rockdorf and Friends“- dann mieten sich die Freunde und Kollegen gemeinsam mit zwei anderen Bands eine Jugendherberge und proben gemeinsam, geben einige Stunden einen Gig in der lokalen Kneipe. Auch das ist für ihn Ausgleich zum beruflichen Alltag. „Es macht Spaß“, betont er immer wieder.

Wenn die Schüler Glück haben, kriegen sie von der musikalischen Ader ihres Direktors sogar etwas mit. Wie etwa auf dem Abi-Konzert 2016, als er kurz nach Amtsantritt eine Performance von „Wonder Wall“, eines seiner Lieblingslieder, für die Abgänger und ihre Familien dargelegt hat.

„Schule soll ein Ort des Wohlfühlens sein, wo man sich geborgen fühlt. Die persönlichen Fähigkeiten jedes Kindes sollen entsprechend gefördert werden. Ich möchte den Schülern auch soziale Werte vermitteln, sodass Schule eine ganzheitliche Geschichte wird.“

Mittlerweile steht die Mittagssonne, Michael Göbbels hat noch viele Termine. Auch heute bleibt ihm keine Zeit, das Büro einzurichten.

 

Foto: Ben Kral unter CC BY-NC-ND 2.0


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