Thomas Piketty

Der Fanclub der Vermögenssteuer

Durch den Erfolg des Ökonomen Thomas Piketty hat die Debatte um eine Vermögenssteuer auch in Deutschland Fahrt aufgenommen. Während der Deutsche-Bank-Chef mit der Steuer sympathisiert, hält der SPD-Vorsitzende sie für nicht umsetzbar. Hat die Vermögenssteuer in Deutschland eine Chance?

von David Zajonz

Es ist eigentlich wie immer: Der Vorsitzende von Deutschlands größter Privatbank und der oberste Sozialdemokrat des Landes sind in der Diskussion um die Vermögenssteuer verschiedener Meinung. Nur die Rollenverteilung ist anders als erwartet. Es ist der Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, der in einem Zeitungsinterview gefordert hatte, man solle sich der Diskussion über eine Vermögenssteuer nicht entziehen. Der SPD-Vorsitzende Gabriel hingegen erklärte diese Diskussion wenige Wochen später für beendet.

Was steckt hinter Sigmar Gabriels Abgesang auf die Vermögenssteuer? Er sei über viele Jahre „Vorsitzender des Fanclubs der Vermögenssteuer gewesen“, so der Sozialdemokrat. Inzwischen glaube er aber, die Steuer habe in Deutschland keine Chance. Grund dafür sei eine Eigenheit des deutschen Verfassungsrechts: Aus juristischen Gründen sei es in Deutschland nicht möglich Geld- oder Immobilienvermögen anders zu besteuern als Betriebsvermögen. Unternehmen würde durch Besteuerung der Anreiz genommen Geld für Investitionen anzusparen – gerade für den deutschen Mittelstand ein Problem. Mit seiner Analyse stellt sich der Vize-Kanzler gegen das eigene Parteiprogramm. Im SPD-Regierungsprogramm wird explizit eine Vermögenssteuer gefordert, die „Investitionsspielräume (von mittelständischen Unternehmen, Anm.d.Red.) nicht belastet“. Darauf verweist auch die SPD-Linke. Gabriels Aussage sei ein Irrtum, sagt Partei-Vorstand Carsten Sieling. Die Vermögenssteuer sei nicht tot, sondern geltender Beschluss.

Piketty – Der prominente Fürsprecher

Brisant ist, dass Gabriel seine ablehnende Haltung ausgerechnet während einer Podiumsdiskussion mit dem Ökonomen Thomas Piketty verkündete. Dem Mann also, der mit seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ die Diskussion um Besteuerung von Vermögen neu entfacht hat. Pikettys Argumentation geht so: Auf Dauer ist die Rendite auf Vermögen höher als das Wirtschaftswachstum. Das bedeutet, dass Kapitaleinkünfte immer wichtiger und Erwerbseinkommen immer unbedeutender werden. Geld verdienen zunehmend diejenigen, die schon Geld haben – die Ungleichheit wächst. Um diesen Trend zu stoppen, schlägt Piketty eine weltweite Vermögenssteuer vor.

Der Ökonom gibt zu, dass ein gemeinsamer Entschluss aller Staaten der Welt unrealistisch ist. Deshalb solle eine Gruppe einzelner Länder, zum Beispiel in der EU, den Anfang machen. Dafür müsste der Austausch von Bankdaten zwischen Staaten vereinbart werden. So würde sichergestellt, dass ein Land die Vermögenssteuer auch dann kassieren kann, wenn seine Bürger ihr Geld im Ausland lagern. Unter solchen Umständen wäre die Vermögenssteuer Piketty zufolge ein gutes Instrument, um die wachsende Ungleichheit einzudämmen.

Millionäre für Vermögenssteuer

Auf Deutschland kann der französische Ökonom bei seinen Vorschlägen wohl kaum zählen. Ähnlich wie Gabriel warnt auch das Bundesfinanzministerium vor Belastungen für Unternehmen und möglichen Jobverlusten, die sich aus einer Vermögenssteuer ergeben könnten. Kritiker führen außerdem gerne an, dass die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, weil sie laut Bundesverfassungsgericht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar war. Allerdings hatte das Gericht damals lediglich die Ungleichbehandlung von Geldvermögen und Immobilienvermögen beanstandet. Aus dem Grundgesetz gestrichen wurde die Vermögenssteuer nie, seit 1997 wird sie nur nicht mehr erhoben. Bei einer Wiedereinführung könnten hohe Freibeträge für alle Vermögensarten Kleinsparer und Eigenheimbesitzer von der Steuer ausnehmen. Verfassungswidrige Sonderregelungen für Immobilienvermögen wären dann nicht notwendig.

Auch wenn dem „Fanclub der Vermögenssteuer“ mit Gabriel der selbsternannte Vorsitzende abhanden gekommen ist, Mitglieder hat er viele. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2012 sind mehr als drei Viertel der Deutschen für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Unter den Fans finden sich zahlreiche Millionäre, die sich für mehr Umverteilung einsetzen. Ihre Appelle haben bislang aber nicht gefruchtet. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD sieht keine neuen Steuern vor und das Bundesfinanzministerium arbeitet an keinem entsprechenden Gesetzesentwurf.
Alternativen zur Vermögenssteuer

Wie sonst kann Deutschland seine wachsende Ungleichheit in den Griff bekommen? Das Bundesfinanzministerium verweist auf die progressive Einkommenssteuer. Die oberen zehn Prozent der Bevölkerung trügen mehr als die Hälfte zum Einkommenssteueraufkommen bei. Von den unteren 50 Prozent kämen nur fünf Prozent der Gesamteinnahmen. Das von Piketty problematisierte Wachstum von Vermögensungleichheiten kann die Einkommenssteuer allein aber nicht verhindern.

Hierfür gäbe es noch zwei weitere Möglichkeiten. Die erste wäre die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer. Auf den Finanzmärkten handeln vorwiegend vermögende Personen, die Steuer hätte also einen Umverteilungseffekt. Problematisch daran wäre, dass der Finanzhandel in Staaten ohne eine solche Steuer abwandern könnte. Die Arbeit an einer europäischen Finanzmarkttransaktionssteuer kommt derweil nur schleppend voran. Die zweite Möglichkeit Vermögende stärker zu belasten wäre eine höhere – oder zumindest ebenbürtige – Besteuerung von Kapitaleinkommen gegenüber Arbeitseinkommen. Derzeit gibt es in Deutschland eine Pauschalsteuer von 25 Prozent auf Kapitaleinkünfte, während die Lohnsteuer für Spitzenverdiener bei mehr als 40 Prozent liegt. Die Pauschalsteuer für Kapitaleinkünfte – die sogenannte Abgeltungssteuer – gehöre zugunsten einer progressiven Besteuerung abgeschafft, findet SPD-Chef Gabriel. Eingeführt wurde die Abgeltungssteuer erst im Jahr 2009. Finanzminister war damals der Sozialdemokrat Peer Steinbrück.


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