Sharing Economy

Teilen statt wegwerfen

Tauschen ist Trend: Die Share Economy boomt, inzwischen versuchen sich auch Großunternehmen wie BMW in dem Bereich. Was bedeutet das für die ursprüngliche Idee von einer nicht-profitorientierten Wirtschaftsform?

von Mina Saidze

Achtung, Breaking News: Autokonzerne wollen nicht mehr, dass wir Autos kaufen. Wir sollen sie nur noch bei ihnen leihen. BMW und Sixt bieten seit 2011 den Carsharing-Dienst DriveNow an, stundenweise lassen sich die Autos in Großstädten mieten. Damit schließt sich der Automobilhersteller einem Trend an: Share Economy, dem Teilen und Tauschen – meist von Dingen, manchmal auch von Fähigkeiten.

Heute kann jeder und alles Share Economy sein – eine Person, ein Projekt, eine App oder ein Unternehmen. Die Form ist egal. Wichtiger ist, dass das Teilen im Vordergrund steht. Klingt erstmal wie eine revolutionäre Idee, die Verwirklichung einer Utopie.

In diesem Jahr rückte DriveNow an die Spitze der kundenstärksten Carsharing-Anbieter. Konzerne wie BMW verfolgen den Sharing-Trend auch aus Image-Gründen, sie wollen modern wirken. Laut einer Studie von Bitkom nutzen mittlerweile etwa vier Millionen Verbraucher Carsharing – und die Nachfrage wächst weiter. Sogar die Deutsche Bahn versucht sich im Teilen, indem sie ein eigenes Carsharing anbietet: Flinkster.

Sharing Economy
Foto: Jeremiah Owyan unter CC BY-NC

Nicht alles sind indes vom der Share Economy begeistert. Die Globalisierungsgegner von Attac begegnet dem Trend skeptisch. Dagmar Embshoff engagiert sich in der AG Solidarische Ökonomie. Die Unternehmen erweckten den Eindruck, ein soziales Interesse zu verfolgen. Dabei sei Share Economy längst nicht immer solidarisch. Konzerne wie BMW verfolgten schlicht Profitinteressen. Solche Unternehmen würden die Entwicklung aufgreifen, um den revolutionären Ansatz im Keim zu ersticken. Nächstenliebe oder Nachhaltigkeit spielten da höchstens eine zweitrangige Rolle.

Nur diejenigen Projekte der Share Economy seien unterstützenswert, die unter die Kategorie solidarische Ökonomie fallen, sagt Embshoff. In diesem Segment nämlich könnten alle Beteiligten mitentscheiden. Zudem werde eine gewisse Transparenz gewährleistet, etwa die Bilanzen offen gelegt. Embshoff wendet ein: dagegen, Gewinn zu machen, spreche natürlich nichts. Wichtig sei aber, wie das Geld dann investiert wird – gut seien etwa Fortbildungen oder Umweltmaßnahmen.

Leila Berlin

Dabei war Share Economy als Alternative zum Kapitalismus gedacht – ein Beispiel für diesen Anspruch ist das Leila in Berlin-Prenzlauer Berg. Hier sitzen Bionade-Mamas in hippen Cafés. Inmitten dieser Szenerie arbeitet Nikolai Wolfert im Leihladen Leila,  Berlins erstem Leihladen. Der 32-Jährige hat Leila vor zwei Jahren gegründet, während seines Studiums hatte er in einem Umsonstladen gearbeitet – ein Konzept, das ihm gefiel. Er sponn die Idee weiter, indem er einen Leihladen für Alltagsgegenstände gründete.

Die Menschen, die hier ein- und ausgehen, sind bunt gemischt, einige Ökos, einige Normalos. Viele bleiben noch auf ein Gespräch und trinken einen Tee, es geht familiär zu.  „Bei Leila wird geliehen“, sagt Wolfert. Share Economy bedeutet nämlich nicht überall dasselbe. Wolfert betont den Unterschied zwischen leihen und mieten.  Leihen ist unentgeltlich oder gegen eine kleine Mitgliedschaftsgebühr, wie ein T-Shirt, das man sich von einem Freund ausleiht oder ein Buch in der Bibliothek. Beim Mieten hingegen zahlt man, um einen Gegenstand zu nutzen, wie in einer Videothek oder beim Carsharing.

Foto: Mina Saidze
Foto: Mina Saidze

Genau das kritisieren Wolfert und Organisationen wie Attac: Die Autokonzerne werben nun mit dem Begriff Teilen, obwohl sie lediglich Autos vermieten. Wolfert will mit Leila ein Gegenentwurf zum Kapitalismus sein.

„Seit der Gründung haben wir 744 Mitglieder, die hierher kommen“, sagt  Wolfert. Share Economy sei zum Modebegriff verkommen. Aber ja, er sei auch ein Teil davon. „Dass diese Art der Ökonomie möglich ist, verdanken wir dem Internet. Ohne die digitale Revolution und soziale Medien wäre der Austausch nicht möglich. Inzwischen haben wir es sogar geschafft, einen zweiten Laden in Wien zu eröffnen“, sagt er. Es gehe nicht darum, Gewinn zu erzielen, sagt Wolfert. Durch die Mitgliedsbeiträge wird die Miete des Ladens gezahlt, alle Mitarbeiter sind ehrenamtlich dort.

Leila und andere Nachhaltigkeitsinitiativen sind durch die „Transition Town-Bewegung“ miteinander vernetzt. Diese Bewegung setzt auf eine lokale, fossilarme Wirtschaft. Sie wollen eine Wende weg vom Wegwerf-Konsum. In Deutschland gibt es inzwischen über 100 solcher Initiativen. Sie machen auch auf Probleme aufmerksam, die der Share Economy noch im Weg stehen. Laut Wolfert ist eins der Haupthindernisse die Bürokratie: Formulare auszufüllen sei komplizierter als gedacht, viele Ämter und Behörden würden das Konzept der Share Economy nicht kennen. Und auf der politischen Tagesordnung steht das Thema Wolfert zufolge auch nicht. „Nur die Grünen befassen sich damit und haben mich schon als Referent eingeladen.“

Dagmar Embshoff von Attac bestätigt Wolferts Eindruck. Sie fordert: „Weniger bürokratische Hürden für Gemeinschaftsbetriebe.“ Momentan bewegen sich Aktivitäten im Sharing-Bereich in einer rechtlichen Grauzone. Sie sind weder Verein, da manche Gewinne erzielen, noch Unternehmen, weil sie die Gewinne nur zur Kostendeckung verwenden. Dieses Problem, findet Embshoff, sollte durch eine neue Rechtsform geschaffen werden, die sogenannte Kooperativ-Gesellschaft. Attac plant zurzeit ein Bündnis, um eine Gesetzesinitiative durchzusetzen. Kooperativ-Gesellschaften sollen nicht gewinnorientiert sein, gleichzeitig von den Mitgliedern aber geringere Gebühren fordern als beispielsweise Genossenschaften.

Die Zukunft der Share Economy ist also offen, Nikolai Wolfert stört sich daran aber nicht. Sein fester Plan ist es, die Idee von Leila in Europa zu verbreiten. Neben der Filiale in Wien würde er es schaffen, dass viele weitere mit ähnlichen Konzepten Läden in Berlin aufmachen, sogar von London träumt er. Um Geld geht es ihm bei all dem jedoch nicht.


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